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Waffenlieferungen: Nuhr kontert Kritik an offenem Brief – „Die Aufrüster halten sich für moralisch überlegen“

Der Kabarettist Dieter Nuhr hat die Kritik an dem von ihm unterzeichneten offenen Brief zur Waffenhilfe an die Ukraine als „unangemessen, irrational und teilweise leider auch verlogen“ zurückgewiesen. Das Geschriebene sei „bis zur Unkenntlichkeit“ verdreht worden, schreibt Nuhr am Montag in einem Beitrag auf Facebook.

„Um es klar zu sagen: Weder wurde im Brief gefordert, dass sich die Ukraine widerstandslos ergeben sollte, wie den Unterzeichnern, also auch mir vorgeworfen wurde, noch stand im Brief irgendetwas davon, dass die Unterzeichner die russische Kriegsschuld anzweifeln oder irgendwelche Sympathien für Putin hätten“, so Nuhr. „Der Brief fordert allerdings, alles zu unterlassen, was eine Ausweitung des Konflikts auslösen könnte. Dies habe ich unterschrieben.“

Mit seiner Meinung seien die Unterzeichner des Briefes laut dem 61-Jährigen auch nicht allein. Etwa die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland seien laut Umfragen ebenfalls der Meinung, dass Deutschland die Eskalation des Krieges nicht weiter vorantreiben sollte – in der Berichterstattung würde diese jedoch nicht zum Ausdruck kommen.

„Die Aufrüster halten sich heute für moralisch überlegen. Leute, die gestern noch auf einer naiven pazifistischen Grundhaltung bestanden, wollen nun aus sittlichen Gründen mit schwerstem Geschütz um sich werfen und blenden dabei völlig aus, dass eskalierendes Verhalten bis in einen Weltkrieg führen kann. Ich verstehe die Emotionen, die dahinterstecken. Aber ich plädiere dennoch für Vorsicht und Abwägung!“, so Nuhr auf Facebook.

Der Angriffskrieg Russlands sei für ihn „deprimierend und unerträglich“ und ohne einen Regimewechsel in Russland dürfte es kein Zurück zur Normalität geben. „Tatsache ist aber auch: Es wird – so weh das tut – keinen Frieden in der Ukraine ohne Beteiligung Russlands geben. Es wird deswegen nicht zu verhindern sein, dass die zivilisierte Welt mit Russland den Dialog suchen muss.“ Denn Russland sei Atommacht und ein Atomkrieg müsste unbedingt verhindert werden.

Schwarzer– „Zum ersten Mal von der Gefahr eines neuen Weltkriegs überzeugt“

Auch Alice Schwarzer hat im Vorfeld Kritik an dem offenen Brief zurückgewiesen, mit dem sie und andere Prominente vor einem dritten Weltkrieg infolge der Waffenhilfe für die Ukraine warnen.

„Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich ernsthaft von der Gefahr eines neuen Weltkriegs überzeugt“, sagte die Publizistin am Sonntagabend in der Bild-Talksendung „Die richtigen Fragen“.

Zwar sei Hilfe für die Ukrainer bei der Selbstverteidigung richtig, doch gehe es „um die sehr schwierige Grenzziehung zwischen Unterstützung zur Verteidigung und Lieferung von Waffen, die von Herrn Putin als Angriffswaffen verstanden werden können“.

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Schwarzer und andere Prominente wie der Schriftsteller Martin Walser hatten in dem am Freitag veröffentlichten Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) appelliert, weder direkt noch indirekt schweren Waffen an die Ukraine zu liefern, um dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kein Motiv für eine Ausweitung des Krieges auf die Nato-Staaten zu geben.

Vielmehr möge Scholz alles dazu beitragen „dass es so schnell wie möglich zu einem Waffenstillstand kommen kann; zu einem Kompromiss, den beide Seiten akzeptieren können.“ Bis Montagmorgen wurde der Brief von rund 140.000 Menschen digital unterzeichnet.

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Wenn die russische Führung die Gefahr eines mit Atomwaffen geführten Konfliktes als sehr konkret bezeichne, „dann müssen wir das einfach ernst nehmen und sehr genau abwägen“, sagte Schwarzer in der Talksendung.

Zugleich dürfe man die „bewundernswerten“ militärischen Erfolge der Ukraine bei der Verteidigung gegen Putins Truppen nicht überbewerten: „Solche punktuellen Siege sind eines. Die zweite Atommacht der Welt gesamt in die Knie zu zwingen, ist etwas anderes.“

Andere Mitunterzeichner verteidigen sich

Ihre Beweggründe, den umstrittenen Text zu unterschreiben, erläuterten derweil auch andere Unterzeichner. Zu Wort meldeten sich unter anderem die Schauspieler Edgar Selge und Lars Eidinger, sowie die Autorin Juli Zeh.

Gegenüber der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ sagte Zeh, dass zurückliegende Konflikte immer wieder gezeigt hätten, „dass Waffenlieferungen das Leid der Zivilbevölkerung häufig nicht mindern, sondern Kriege verlängern, intensivieren und ausdehnen können“. „Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass es keinen klaren Sieg über Putin geben wird“, wird sie auch vom Redaktionsnetzwerk Deutschland zitiert. Um noch mehr Leid zu verhindern, werde es eine Lösung geben müssen, bei der Putin Zugeständnisse bekomme.

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Als Anregung zum Nachdenken hingegen verteidigte Schauspieler Lars Eidinger seinemTeilnahme an der Aktion. Auf Instagram erläutert er in einem auf Englisch verfassten Text zunächst, warum er als damals 18-Jähriger den Wehrdienst verweigert habe. Bis heute sei er der Meinung von damals, dass „Blut nicht mit Blut abgewaschen werden könne“.

Er selbst habe „keine Idee“, wie dieser Konflikt beendet werden könne, doch dafür würden die Menschen ja auch Politiker wählen, die Lösungsstrategien finden sollten. Demokratie, so der Theater- und TV-Star sinngemäß, forme sich nun mal durch Diskussion, Debatten und auch den Streit.

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Im Interview mit dem Berliner „Tagesspiegel“ wies Schauspieler Edgar Selge auf seine Sorge hin, dass bei fortgesetzten Waffenlieferungen die Ukraine schwersten Zerstörungen entgegen sehe.

In dem Beitrag, der die Überschrift trägt „Nur Rüstungsproduzenten profitieren von Waffenlieferungen“, sagt Selge zudem: „Meine Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung ist ungebrochen und sie wächst mit diesem Brief. Doch geht es um deren Schutz, und nicht darum, sie in einem Kampf zu unterstützen, in dem am Ende kaum noch einer übrig ist. Wo soll das enden? In einer total zerstörten ukrainischen Landschaft, in der es nicht mehr möglich sein wird, zu leben?“, so der 74-Jährige.

Nach der Veröffentlichung des Briefes, dem auch eine Petition angeschlossen ist, war rasch breite Kritik daran laut geworden. So sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann in einem Interview der „Stuttgarter Zeitung“ und „Stuttgarter Nachrichten“: „Wo sollen „Kompromisse“ sein, wenn Putin völkerrechtswidrig ein freies europäisches Land überfällt, Städte dem Erdboden gleichgemacht, Zivilisten ermordet werden und Vergewaltigung systematisch als Waffe gegen Frauen eingesetzt wird?“

Die Petition, die sich ebenfalls an die Adresse von Bundeskanzler Olaf Scholz wendet, hatte am Montagmorgen auf Change.org bereits mehr als 146.000 Unterzeichner erreicht.

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