Die Schilder im Schaufenster des Spielwarenladens Langenfeld in der Löbauer Bahnhofstraße künden vom Aus. “Räumungsverkauf” steht da. Nach 75 Jahren endet dort in den nächsten Wochen eine Tradition des Spielwaren-Handels. Die Familie Langenfeld gibt das Geschäft auf. “Wegen Corona” heißt es in Löbau gerüchteweise. Doch dem widerspricht Inhaber Tom Langenfeld und er kann dieses Gerücht nicht mehr hören. “Mit der Pandemie hat die Geschäftsaufgabe rein gar nichts zu tun”, sagt er.
“Wir sind dankbar für 75 Jahre, die vier Generationen ernährt hat und wir können hier erhobenen Hauptes herausgehen”, sagt Tom Langenfeld (38). Am 25. Januar 1946 hatte sein Urgroßvater Reinhard Langenfeld den Laden an dieser Stelle eröffnet. Gemeinsam mit seinen Brüdern Markus und Martin wuchs er in der Wohnung über dem Laden auf – viel Zeit verbrachten die Jungs aber auch bei ihren Eltern im Laden. “Die Freude über Spielzeug war bei unseren Schulkameraden irgendwann größer als bei uns”, erzählt er aus seiner Kindheit. 2014 übernahm Tom Langenfeld nach dem plötzlichen Tod seines Vaters Matthias in vierter Generation die Inhaberschaft – hauptberuflich aber betreibt er eine Physiotherapie an der Bahnhofstraße. “Meine Mutter wollte sich in ihrem Alter nicht mehr selbstständig machen”, erklärt er. Deshalb ist seine Mutter Evelyn seitdem weiterhin Angestellte des Ladens – als Geschäftsführerin. Viele Erinnerungen hängen an dem Laden – aber Erinnerungen allein sind kein Erfolgsgarant für die Zukunft. “Wir haben daher schon seit Längerem beschlossen, das Geschäft aufzugeben”, sagt er und: “Meine Entscheidung beruht auf grundsätzlicher Analyse der Marktsituation. Corona hat die Schließung eher verschleppt.”
Internethandel erschwert Situation
“Mit den Umsätzen waren wir immer sehr zufrieden”, sagt Langenfeld. Und das trotz der erzwungenen Schließung in der Pandemie. “Wir gehen mit schwarzen Zahlen hier raus, weil wir in den letzten Jahren gut gewirtschaftet haben”, sagt er. Doch die Marktsituation ist es eben, die Händlern wie Langenfeld das Leben zunehmend schwer macht.
Die ist zum einen bestimmt durch den immer stärker werdenden Online-Handel. Die Spielwaren-Branche an sich hat von der Corona-Pandemie erheblich profitiert und 2020 ein Umsatzplus von neun Prozent auf einen Rekordwert von 3,7 Milliarden Euro verzeichnet (2019: 3,4 Milliarden, 2018: 3,3 Milliarden). Besondere Wachstumssegmente waren dabei Spiele und Puzzles sowie Bastel- und Malsachen. Bloß: Ein großer Teil dieser Umsätze kommt bei kleineren Spielwarenläden gar nicht an. Schon 2019 war laut Angaben des Bundesverbands Spielwareneinzelhandel (BVS) das Internet mit 42 Prozent größter Marktplatz für Spielwaren – weit vor dem stationären Fachhandel mit 26 Prozent Marktanteil. Noch vor der Corona-Krise prognostizierte der Verband für 2020 ein Wachstum des Internet-Marktanteils auf 52 Prozent, und ein Schrumpfen des stationären Handels auf 18 Prozent Marktanteil. Diese Prognose dürfte durch Corona zugunsten des Online-Handels übertroffen worden sein.
Ein weiteres problematisches Moment der Marktsituation ist die Ladengröße. Nach einer Umsatzsteuer-Statistik des BVS setzen unter den insgesamt gut 2.800 Verkaufsbetrieben in Deutschland die 97 größten Ketten und Geschäfte der Branche mehr um als die rund 2.300 kleinsten Betriebe zusammen. “Unser Laden hat mit 85 Quadratmetern eigentlich eine ideale Größe, entscheidend ist eher die Kaufkraft am Standort”, sagt Tom Langenfeld – und mit der Kaufkraft sei man bisher immer zufrieden gewesen. Dennoch, 85 Quadratmeter, das wird zunehmend zu klein, um mithalten zu können. Denn gerade namhafte Hersteller verlangen von den Händlern immer mehr Raum zur Präsentation. Als Beispiel nennt Tom Langenfeld den Spielzeuggiganten Lego. “Früher waren wir Premiumhändler”, sagt er, “aber um diesen Status zu halten, hätten wir auf der Hälfte der Ladenfläche Lego präsentieren müssen.” Mit dem Wegfall eines solchen Premium-Status verschlechtern sich auch die Einkaufsbedingungen.
Übernahme an Corona gescheitert
“Ich habe viel versucht, dem Geschäft noch eine Chance zu geben”, sagt Tom Langenfeld. So habe er mit seiner Schwägerin, einer Spezialistin für Online-Handel, überlegt, mit dem Laden selbst ins Online-Geschäft einzusteigen. “Das aber hätte hohe Investitionen erfordert – und der Erfolg wäre offen geblieben”, sagt er. Es schien ihm am Ende zu risikoreich. Auch etwa wegen einer problematischen Besonderheit des Online-Handels: “Wir müssten mit bis zu 25 Prozent Retouren rechnen”, erklärt Langenfeld. Und die könne man wegen aufgerissener Verpackungen in aller Regel nur noch wegwerfen. Online-Giganten können so etwas einpreisen und wegstecken – ein Online-Zwerg kann das nicht und es würde direkt am eh schon knapp kalkulierten Gewinn zehren. Und: Weil seine Mutter den Laden aus gesundheitlichen Gründen nicht weiter führen kann, müsste Tom Langenfeld seine Physiotherapie aufgeben, um sich ganz dem Laden widmen zu können – für ihn keine aussichtsreiche Perspektive. “Auch wenn meine Frau Manja den Laden am liebsten weiterführen würde”, sagt er – aber die arbeitet auch als Fachkraft in der Physiotherapie.
Auch Übernahme-Lösungen für den Laden haben sich zerschlagen – das tatsächlich wegen der Corona-Krise. Zwei Personen hätten sich für den Laden interessiert, sagt Langenfeld, beide seien abgesprungen. “Einer hat gesagt, wenn das Weihnachtsgeschäft wieder ausfällt und man Ware eingekauft hat, ist das ungünstig”, erzählt er. Also ist das Ende des Spielwarenhandels hier beschlossene Sache. Noch bis 30. Juni geht der Räumungsverkauf – mindestens. Das Lager ist schon vollständig geräumt. “Aber wir haben es nicht eilig. Wenn Ende des Monats noch nicht alles raus ist, bleibt noch ein bisschen länger geöffnet”, sagt Tom Langenfeld.